Platzverweis für Übervorsichtige

Selbstzensur hat im Theater nichts verloren.
Ein Kommentar von Michael Kaminski.

Shakespeare. National Portrait Gallery (London)

Elfriede Jelinek 2004. (Foto G. Huengsberg)

Gerücht – freilich ein langanhaltendes – war, dass Molière, der nicht allein in seinem >Eingebildeten Kranken<, sondern wiederholt die Ärzteschaft schmähte, des Beistandes der vor den Kopf gestoßenen Mediziner verlustig ging. Therapie und Medikamente seien dem Dichter vorenthalten worden. Längst ist klar, davon kann die Rede nicht sein. Hingegen scheint derzeit Gefahr selbst im Umfeld der Stückeschreibenden virulent. Jedenfalls legt das Jörg Bochnows Beitrag >Zwischen Illusion und Ideologie< in >Theater der Zeit< nahe. Der Dramaturg am Dresdner Staatsschauspiel führt das folgende Erlebnis an: „Vor kurzem sagte mir eine erfahrene und sehr angesehene Kollegin, dass sie keine Komödien mehr inszeniert – irgendjemand fühlt sich dabei immer bloßgestellt, auf ein Klischee reduziert, […].“ Bochnows Überlegungen im Rahmen der vom Blatt initiierten Serie >Was ist los? Dramaturgie der Zeitenwende< erschien bereits im Oktober (TdZ 10/24, S.61-64). Wochen hindurch blieb mir davon die Spucke weg. Jetzt aber kam die Zeit, sich zum Entschluss der von Bochnow zitierten Spielleiterin zu verhalten. Als Basis dient mir des Dramaturgen Feststellung: „Die Vorsicht, bedenklichen Positionen Raum zu geben, führt auch zu Vermeidungsstrategien, zur Eindimensionalität.“ – Ich stimme zu. Macht das angeführte Beispiel Schule, wird es an der Kernkompetenz des Lustspielgenres zerren – an der von Theater überhaupt.